Räderwerk
Weltpolitik
Im
August 1939 schlossen die Großmächte Deutschland und Sowjetunion den deutsch-sowjetischen
Nichtangriffsvertrag (Hitler-Stalin-Pakt) ab.
Ein geheimes Zusatzprotokoll über die lnteressenssphären der Vertragspartner
ordnete schon bald die osteuropäische Staatenlandschaft
vollkommen neu. Im Geheim- protokoll erklärte die Sowjetunion ihr Interesse an
Bessarabien. Sie konnte nicht verwinden, dass der vom zaristischen Russland seit
1812 kolonisierte Landstrich 1918 an Rumänien verloren ging. Deutschland bekannte sein völliges politisches
Desinteresse an Bessarabien und stimmte so einer späteren sowjetischen
Besetzung zu. Deutsche Siedler, die 125 Jahre lang
friedlich in der Fremde lebten, gerieten über Nacht und ohne ihr Wissen ins
Räderwerk der Weltpolitik.
Vorahnungen
einer sich anbahnenden Umsiedlung gab es schon im Oktober 1939. Hitler verkündete, dass er mit
„nichthaltbaren Splittern
deutschen Volkstums“ im Osten Europas umfassende Bevölkerungsbewegungen
plane. Er brauchte Menschenmaterial, um das eroberte Polen zu besiedeln und auch,
um weiter Krieg zu führen. Als 1939/40 die Rücksiedlung der Wolhynien-, Galizien-, und
Baltendeutschen unter dem Tenor „Heim ins Reich“ erfolgte, gab es unter den Bessarabiendeutschen
erste Gerüchte, die sich ein halbes Jahr später bestätigten.
Sowjetische Besetzung
Am 28. Juni 1940 besetzte die sowjetische Rote Armee
überraschend das Territorium
Bessarabiens. Rumänien bekam zuvor ein 48-stündiges Ultimatum zur Abtretung
gestellt, dem es kampflos nachkam. Beistandsbitten
der rumänischen Regierung an das befreundete Deutschland blieben erfolglos.
Hitler hatte ja ein Jahr zuvor im Hitler-Stalin-Pakt diese Region insgeheim der
Sowjetunion zugestanden. Hitler billigte sogar die Besetzung, verlangte aber die
Umsiedlung der dort lebenden deutschstämmigen Bevölkerung ins Deutsche
Reich. Am 5. September 1940 schlossen die Sowjetunion und das
Deutsche Reich in Moskau einen Umsiedlungsvertrag.
Er ermöglichte allen Bessarabiendeutschen die
Rückkehr nach Deutschland. Jeder Bewohner ab 14 Jahre konnte die Entscheidung
darüber selbst treffen.
Mit der Anwesenheit sowjetischer Truppen
Ende Juni 1940 hatten sich in Bessarabien bestürzende
Veränderungen ergeben. Jeder Bauer hatte ein Erntesoll abliefern, Schulen wurden
geschlossen, Krankenhäuser und Apotheken beschlagnahmt, Banken und
Industrieunternehmen enteignet. Obwohl die Besatzer den Deutschen keine
Gewalt antaten, herrschte unter ihnen Angst. Man
befürchtete die baldige Deportation nach
Sibirien. Schlimmes ließen
auch die nächtlichen Verhaftungen von Gutsbesitzern und Angehörigen anderer
Volksgruppen in Bessarabien erahnen. Nahezu geschlossen entschied sich im September 1940 die
93.000 Personen
umfassende
deutsche Volksgruppe zur Umsiedelung,
nur etwa 2.000 Deutsche blieben (meist wegen Ehepartnern anderer
Volkszugehörigkeit) zurück. Diesen Rückzug aus 125 alten Siedlungsgebieten deutscher
Ostsiedler feierte die NS-Propaganda als „Heimkehr ins Reich“.
Gründe der deutschstämmigen Bevölkerung, in die
Umsiedlung einzuwilligen, sie sogar als Rettungsmaßnahme anzusehen, waren:
Umsiedlungsvorbereitungen
Wenige Tage nach Schließung des Umsiedlungsvertrages
traf am 15. September 1940 das 600 Personen umfassende deutsche
Umsiedlungskommando
in Bessarabien ein. Es bestand überwiegend aus SS-Militärangehörigen.
Die Anreise erfolgte per Schiff auf der
Donau ab Wien bis zu den rumänisch/russischen Donauhäfen Reni und Galatz. Die restlichen 150 km
wurden mit der Eisenbahn oder Kraftfahrzeugen zurückgelegt.