Im
Oktober 1940 verließen die Bessarabiendeutschen mit wenig Gepäck ihre
Heimat. Die Reise im Treck und auf Schiffen führte auf den Wegen zurück, die ihre Vorfahren
bei ihrer Einwanderung seit 1814 genommen hatten.
Registrierung
Abschied
Lagerzeit/Neuansiedlung/Flucht
Umsiedlertreck
aus Hannowka und Hoffnungstal
Registrierung
Die Arbeit der Umsiedlungskommission begann mit der
Registrierung der Umsiedlungswilligen. Wichtig für eine spätere Entschädigung
war die Wertermittlung des zurückbleibenden Eigentums
der Bessarabiendeutschen. Die Sowjetunion und das Deutsche Reich
rechneten zwischenstaatlich untereinander ab. Für
die zurückgelassenen Werte der Deutschen entschädigte die Sowjetunion später mit Getreide- und
Erdöllieferungen. Die gemeinsame deutsch-sowjetische Umsiedlungskommission ging mit Taxatoren von Hof zu Hof, um das
zurückbleibende Vermögen (Häuser, Tiere, Feldfrüchte) der Umsiedler festzulegen.
Es kam zu großen Spannungen innerhalb der Kommission, denn für die sowjetische Seite existierte
aufgrund ihrer kommunistischen Prägung kaum Privateigentum.
An
persönlichen Gegenständen durfte je nach Beförderungsart (LKW, Eisenbahn) Gepäck von 35-50 kg
mitgenommen werden. Auf
dem Treckwagen waren Gepäck und landwirtschaftliche Produkte bis zu 250 kg
zulässig. Hausrat, Möbel, Ackergeräte, Maschinen usw. wurde an Nachbarn verkauft oder
verschenkt. Alle Urkunden von Gemeinden und Kirchen, wie
Kirchenbücher, mussten zurückbleiben. Deswegen liegt heutzutage nur wenig schriftliches
Quellenmaterial über deutsche Siedlungen in Bessarabien vor.
Abschied
Aus Furcht vor der Deportation nach Sibirien und voller
Hoffnung auf das versprochene Paradies in Großdeutschland machten sich die
bessarabischen Bauern auf die
weiteste Reise ihres Lebens. In allen
deutschen Gemeinden Besssarabiens fanden vor der Abreise Abschiedsgottesdienste in den Kirchen statt.
Danach ging man unter Glockengeläut zum Abschiednehmen auf die Friedhöfe, ein Ereignis,
das alle stark bewegte.
Totenabschied
in Hoffnungstal (Nachbarort von Hannowka)
Ende
September 1940 begannen die Abtransporte der Umsiedler zu den 150 km südlich gelegenen
Donauhäfen zwecks Verschiffung.
Zunächst wurden Kranke und Alte mit Sanitätsfahrzeugen dort hin gebracht, dann
Frauen und Kinder per Bus, LKW oder mit der Eisenbahn. Zuletzt zogen Anfang Oktober die Männer auf
Pferdegespannen in kilometerlangen Trecks zu den Donauhäfen. Die mehrtägige
Planwagenfahrt ging ortsweise auf festgelegten Routen vonstatten.
Die Verschiffung der Bessarabiendeutschen erfolgte auf 26 Ausflugsdampfern der deutschen, jugoslawischen und ungarischen
Donauflotte. Mit ihnen siedelten auch die deutschstämmigen Bewohner des Buchenlandes, der
Bukowina, um. Dieses rumänische Gebiet, das im Norden an Bessarabien grenzte, hatte die Sowjetunion ebenfalls militärisch besetzt. Mit an Bord der Donauschiffe kam nur die persönliche Habe; Treckwagen und Pferde blieben am Hafen zurück.
Verschiffung
auf Passierdampfern
Die Flussschiffe beförderten jeweils
400-1.000 Passagiere. In den 45 Tagen der Umsiedlungsaktion pendelten sie auf der Donau unablässig auf und ab. Die Schiffsfahrt Richtung Deutsches Reich begann in den russischen bzw. rumänischen Donauhäfen Galatz, Kilia oder Reni. Sie dauerte 2 Tage und 2 Nächte und endete nach knapp
1.000 Kilometern donauaufwärts in den Häfen Prahovo und Semlin nahe Belgrad, im damaligen Jugoslawien. Diesen Reiseweg hatten auch die
Vorfahren der deutschen Umsiedler 125 Jahre zuvor zurückgelegt, jedoch donauabwärts.
Zurück
blieben:
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374.000 Hektar
Kulturland, 7.000 Hektar Weinberge,
unzählige Siedlungshäuser,
Schulen, Kirchen, Bet- und Rathäuser, Mühlen, Fabriken,
Genossenschaftsbetriebe, Brücken und Brunnen, Haustiere und Viehherden
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150 deutsche
Dörfer und Siedlungen,
vereinsamt und fast menschenleer, zeugend von der Kulturleistung
deutscher Siedler in 125 Jahren
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Lagerzeit/Neuansiedlung/Flucht
Nach wenigen Tagen Aufenthalt in einem jugoslawischen
Durchgangslager erreichten die Umsiedler nach einer mehrtägigen Eisenbahnfahrt
im Oktober/November 1940 das Deutsche Reich. Dort verteilten sich die 93.000 Bessarabiendeutschen auf
rund 250 Umsiedlungslager in Sachsen, Franken, Bayern, im Sudetenland und in
Österreich. Untergebracht in Schulen, Turnhallen oder Ballsälen von Gasthäusern herrschte drangvolle Enge. Das
ein bis zwei Jahre anhaltende
Lagerleben vom Oktober 1940 bis Ende 1942 zermürbte die Umsiedler. Während der Lagerzeit erfolgte das Einbürgerungsverfahren. Die
Umsiedler, die Volksdeutsche mit rumänische Staatsangehörigkeit waren, wurden zu deutschen
Staatsangehörigen.
Zur Einbürgerung gehörte eine gesundheitliche und rassisch-politische Untersuchung. Nur wer als gesund,
„rassisch wertvoll“ und
„politisch zuverlässig“ eingestuft war (86 %), kam für die Ansiedlung in
den von Hitler-Deutschland eroberten „Ostgebieten“ infrage.
Die Bessarabiendeutschen waren ein Bauernvolk. Eigene
Bauern- höfe und die Herstellung der alten bessarabischen Dorfge- meinschaft waren ihnen
bei der Umsiedlung 1940 versprochen
worden. 1941/42 wurden sie neu angesiedelt auf Höfen im
"Osten" des neuen "Großreichs", in polnischen Gebieten im Warthegau,
Danzig-Westpreußen und dem
sog. Generalgouvernement. Die deutschen Besatzungsbehörden
nahmen den polnischen Besitzern ihre Bauernhöfe (entschädigungslos) ab. Die bessarabischen
Neuansiedler ahnten das
geschehene Unrecht. Nach der bitteren Zeit der Untätigkeit
und Enge im Lager nahmen sie die zugewiesenen Höfe an und wagten den Neuanfang
als selbstständige Bauern. Im Generalgouvernement nahe der russischen Grenze verloren zahlreiche
Bessarabiendeutsche bei nächtlichen Partisanenüberfällen ihr Leben. Wahrscheinlich aus den
vertriebenen Hofbesitzern hervorgegangen, holten sich Partisanen ihren Teil
zurück. Auch bewaffnete Dorfschutzkommandos aus den Reihen der
Neusiedler
unter
Leitung der SS konnten die Überfälle nicht stoppen. Im Sommer 1944 nach nur
zwei Jahren scheiterte das deutsche Siedlungsprojekt im Osten. Die
sowjetische Front nahte und die Bessarabiendeutschen flüchteten nach Westen.
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